Viele auf einen Streich

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Von Delilah Werdermann

Ein Hieb, der noch weit über die Lande zu hören ist. Ein Schlag, der bis ins kleinste Detail sitzt. Stets begleitet von einem beißenden Rauchgeruch und gleißenden Feuer im Hintergrund. Was so klingt wie ein Szenario aus einer Ritterschmiede, ist in Wahrheit die Wirkungsstätte von Hans-Jürgen Kugland.

Seit über 25 Jahren ist der Schmied in Warburg (Nordrhein-Westfalen) dort zu finden, wo sich Amboss und Esse gute Nacht sagen. Gewöhnliches Eisen sucht man hier aber vergebens, Kuglands Schläge bekommt nur ein Material zu spüren: der Damaszenerstahl, auch Damast genannt, aus dem einzigartige und wunderschöne Klingen für Jagd- und Kochmesser in mühevoller Handarbeit entstehen.

Die Schmiede ist wie eine Zeitmaschine, wo die Zeit stehen bleibt. Dann gibt es nur die Messer und mich. Meine Leidenschaft ist schon fast wie eine Sucht“, erklärt er lachend.

Alles im Sinne einer 2000 Jahre alten Tradition, die ihren Ursprung im syrischen Damaskus hat, das in der Antike auch für seine Waffenschmiedekunst bekannt war. Bei der Verbundschweißstahltechnik wird ein Paket aus mehreren Stählen mit unterschiedlich harten Legierungen bei über 1000°C erhitzt, geschichtet und miteinander verbunden. Dank des hohen Wolframanteils bleibt die Schneidleistung unerreichbar. Durch ätzen, schleifen und polieren kreiert Kugland anschließend dekorative Muster, die als Rosen-, Wellen- oder Torsionsdamast bekannt sind. Für die Griffe kommen Exoten wie Maserholz aus Afrika oder Amboina, ein indonesisches Wurzelholz, zum Einsatz.

Und kein Messer gleicht dem anderen, nur Unikate verlassen seine Schmiede, die er liebevoll in Anlehnung an seinen Namen Hajuku getauft hat. Angefangen hat alles im elterlichen Betrieb. Von 1971 bis 1974 erlernte er bei seinem Vater das Schmiedehandwerk, sein Hobby – das Jagdbogenschießen – führte Kugland in den 90er-Jahren oft in die USA. Dort lernte er den berühmten Messermacher Bob Schulz kennen, der zu einem Mentor wurde. In Deutschland wollte er dann sein Hobby zum Beruf machen, was nicht immer einfach war, weil niemand auf Damastmesser spezialisiert war.

Kugland bezeichnet sich selbst als Perfektionisten, der auf Höchstleistung getrimmt ist. Schon der geringste Makel ist ein Ausschlusskriterium. Zur „schnellen Schmiede“ geht es hier also nicht, bis zu 100 Stunden Arbeit stecken in einem einzigen Damastmesser. Und diese Perfektion schätzen Kunden aus aller Welt: In die Schweiz und nach Österreich verkauft er Kochmesser, Sammler stellen sich ein Hajuku als Schmuckstück in die Vitrine oder der Leibwächter des saudischen Königs gibt kurzerhand eine Bestellung auf. Wer jetzt denkt, dass nur Männer zur Kundschaft gehören, der täuscht sich. Auch bei Jägerinnen erfreuen sich die Messer größter Beliebtheit.

Zum Glück, denn Hans-Jürgen Kugland verleiht jedem Messer eine ganz individuelle, unvergleichliche Seele. Jeder Schnitt wird ein Stück Leidenschaft, Präzision und Perfektion. Und wenn man ganz genau hinhört, ertönt abermals der Hall der Schmiede in Warburg.

 
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