Von Delilah Werdermann
Paris: Die französische Stadt an der Seine ist nicht nur bekannt als die Stadt der Liebe, sondern auch weltweit als ein führendes Zentrum für Mode, gutes Essen, Kultur und Kunst. Es ist also kein Wunder, dass hier die Museen wie Champignons aus dem Boden schießen. Denn bald gibt es eine neue Heimat für die berühmten Sammlungen des Kunstsammlers François Pinault: die „Bourse de Commerce“.
Es muss vor ungefähr sechs Jahren gewesen sein, als sich François Pinault dazu entschloss, seine Kunstsammlungen für immer in Paris auszustellen. Dass der Ort, den sich der Gründer der Holdinggruppe Artémis und Luxusgütergruppe Kering ausgesucht hatte, kein gewöhnlicher sein kann, war schnell klar. Ein historisches Denkmal im 1. Arrondissement von Paris, gelegen in der Topgegend von Les Halles und der Rue du Louvre, sollte es werden, das im Laufe der letzten vier Jahrhunderte mehrere Bau- und Stilphasen erlebt hatte und stetig ergänzt wurde. Dazu gehörten unter anderem die Medici-Säulen als letzter Überrest des Hôtel particuliers, erbaut von Katharina von Medici im 15. Jahrhundert, die Rundform und Innenfassaden der ersten Halle au Blé (1763 bis 1767) und die eiserne Kuppel (1806 bis 1813).
Das neue, restaurierte Museum „Bourse de Commerce – Pinault Collection“ soll dabei nicht nur ein simpler Ort der Kunstausstellung sein, sondern auch als Schnittstelle zwischen zeitgenössischer Kunst und dem französischen Kulturerbe. 5.000 Werke der zeitgenössischen Kunst – vor allem Gemälde des 20. und 21. Jahrhunderts – zählen zu seiner Sammlung, was er in Paris ausstellen will, bleibt noch ein kleines Geheimnis. Auch über den geschätzten Werk gibt es keine Angaben und Pinault hüllt sich bei dieser Frage lieber in ein lächelndes Schweigen. Für Umbauten ist er jedenfalls bekannt, denn auch seine Immobilien in Venedig, zu denen der barocke „Palazzo Grassi“ und die alte Zollstation „Punta della Dogana“ gehören, wurden bereits renoviert und zeigen seit 2006 sowie 2009 Teile seiner Sammlungen.
Kein geringerer als der japanische Stararchitekt Tadao Andō, der unter anderem den Pritzker-Preis erhalten hat, wurde dafür beauftragt. Auch für die „Bourse de Commerce“ wurden Tadao Andō Architect & Associates zusammen mit der Agentur NeM / Niney et Marca Architectes, der Agentur Pierre-Antoine Gatier und Setec bâtiment ins Boot geholt, um das historische Gebäude zu renovieren.
Ronan und Erwan Bouroullec erhielten den Auftrag, alle Möbel für die „Bourse de Commerce“ zu entwerfen und auszuwählen. Ein architektonisches Staraufgebot und ambitioniertes Projekt, wenn man bedenkt, dass Pinault nach eigenen Aussagen mit der „Bourse de Commerce“ zu „einer Renaissance des Pariser Kulturraums“ beitragen will. Im Juni 2017 begannen die ersten Spatenstiche, bis im März 2020 alles finalisiert worden war:
„The idea was to regenerate a historic site: honouring the memory of the city inscribed in its walls and interior, while bringing in another structure, on the model of nestled Russian dolls: a composition setting up a living dialogue between the new and the old, creating a space full of life, as should be the case for a place devoted to contemporary art. The vocation of this architecture was to weave together the web of time, past, present and future, as in the projects for Venice“, so Andō, der mit der „Bourse de Commerce“ bisher sein größtes Projekt in Frankreich realisiert hat.
Das Ergebnis sind insgesamt zehn Ausstellungsgalerien auf fünf Etagen, deren rondoartige Bauform nicht nur optisch ein Hingucker ist. Der Durchmesser des Zylinders wurde geändert, um ihn an den Raum anzupassen, fast fünf Meter Abstand befinden sich jetzt zwischen der historischen Fassade und der Betonwand, auch „Passage“ genannt als Anspielung auf die Architektur der Pariser Passagen. Dazu soll das Auditorium mit 284 Plätzen ein Ort für Gespräche, Konferenzen, Konzerte und vieles mehr werden, während das Studio, eine riesige „Black Box“ im Untergeschoss, ideal für Video- und Audiopräsentationen ist. Das Foyer rund um das Auditorium soll zukünftig auch für Performances und Installationen genutzt werden.
Doch neben der architektonischen Vielfalt ist die „Bourse de Commerce“ vor allem ein Ort, der für alle künstlerischen Disziplinen offen ist und alle dazu einlädt, die einzigartige Pinault-Sammlung im Zuge der zeitgenössischen Kunst zu erkunden und entdecken. Die Synergie verschiedenster Akteure in ihrem kulturellen und sozialen Umfeld, sei es „parisian“, national oder international, wird zu einem regen Kunstaustausch beitragen.
Aber einen kleinen Wermutstropfen gibt es ungeachtet der großen Freude, denn trotz der pünktlichen Fertigstellung wurde die Eröffnung aufgrund der Coronapandemie immer wieder verschoben. Bis dahin heißt es also, sich in Geduld üben und Kunst vorerst digital erleben. Wir bleiben gespannt!
Der Beitrag Zurück in die Zukunft erschien zuerst auf Quality Magazine.